Sex und Gewalt
Das erste Mal aufgefallen ist mir das Phänomen auf unserer Abifeier, 1996, beim unvermeidlichen Anschauen des unvermeidlichen "Abifilms", irgendeines seltsamen Machwerks von vier oder fünf der meinungsbildendsten und trinkfestesten Jünglinge aus unserem Jahrgang, in dem in sehr trashiger Weise an einen James-Bond-Film angelehnt irgendwelche Insiderwitze aus unserer ihrer Schulzeit verbraten waren.
Bei der Veranstaltung war meine damals knapp achtjährige Schwester dabei, und sie saß neben mir, und daneben eine befreundete Klassenkameradin.
Das Ganze bestand also überwiegend aus Szenen, in denen die Darsteller wild schießend und schreiend hintereinander herliefen, sich gegenseitig beschimpften und Plastikpistolen aufeinander richteten, und schreiend und sich krümmend "tot" umfielen.
Allerdings gab es auch eine Szene, in der einer der Jungs stark geschminkt und mit zwei Luftballons unter der Bluse auf dem Bond-Darsteller rumrutschte und seltsame Geräusche machte - in voller Bekleidung, aber offensichtlich in entfernter (und sachunkundiger?) Anlehnung an das, was Bond wohl mit den Bond-Girls gemacht haben wird.
Und bei dieser Szene meinte sich also die liebe Klassenkameradin herüber beugen und meiner Schwester die Augen zuhalten zu müssen.
Ich habe viele Jahre Zeit gehabt, darüber nachzudenken, und mir fällt immer noch kein einziger, noch so wohlwollender und verständnisvoller Grund ein, warum man auf die Idee kommen könnte, sowas könne einem Kind schaden, und dann auch noch mehr schaden als der tendenziell aggressive Rest der Storyline (der ihr aber sicher auch nicht geschadet hat).
Negative Auswirkungen von Gewaltdarstellungen auf Kinder oder sonstwen sind ein komplexes Thema - ich bin selber furchtbar sensibel, und ich habe immer sehr schnell Angst bekommen als Kind und bis heute, wenn auch eher vor charakterlicher Brutalität als vor der tatsächlich gezeigten. Ich glaube nicht, daß Tatort-Fälle oder Killerspiele Kinder zu Amokläufern machen, aber ich glaube auch nicht, daß es das Beste für ein Kind ist, seine Jugend in virtuellen düsteren Räumen fröhlich vor sich hin mordend zu verbringen. Frische Luft und so, Ihr wißt schon. Aber darum gehts mir hier gar nicht.
Sondern das mit dem Sex.
Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger leuchtet mir ein, warum die Darstellung irgendeiner Art von Sex, die erkennbar im gegenseitigen Einverständnis stattfindet, einem Kind irgendwie schaden sollte. Angenommen, du gingest mit Deinem Kind durch den Park, und irgendwo auf einer Decke lägen, wasweißich, fünf Menschen dreierlei Geschlechts weitestgehend unbekleidet, in mehr oder weniger interessanten Positionen mit und ohne Spielzeug und hätten sich offensichtlich lieb und eine Menge Spaß - mir fällt einfach kein Problem ein.
Je nach Alter und Interesse des Kindes wäre vielleicht eine Erklärung (falls es sich überhaupt wundert. Aber kleine Kinder sind gewöhnt, daß Erwachsene noch viel absurderes Zeug machen) sinnvoll, und später ggf. natürlich Informationen über Schwangerschaften und Safer Sex und so, klar, aber sonst?
Sex (soweit einvernehmlich. Sonst ist es eben wieder kein Sex, sondern Gewalt.) ist etwas Nettes, was Menschen machen, um sich selber und den ggf. anderen Beteiligten eine Freude zu machen. Es hat, wenn man auf Verhütung etc. achtet, von sich aus keinerlei schädliche Aus- oder Nachwirkungen auf die Beteiligten oder die Umwelt, schadet niemandem und ist wesentlich weniger scheiße als eine Menge anderer Arten Spaß zu haben, wie zB Sportwagenfahren, Treibjagd oder Komasaufen.
Die Idee, bei der Alterseinstufung von Kultur eine Tätigkeit, die völlig normal (im Sinne von menschlich. Nicht im Sinne von Missionarsstellung im Dunkeln), im Idealfall für alle Beteiligten extrem erfreulich und generell unschädlich ist, in eine Schublade zu werfen mit der Darstellung von Gewalt, die per definitionem für zumindest einen der Beteiligten schmerzhaft oder tödlich ist und die also durchaus geeignet ist, Angst zu machen oder vielleicht auch, Vorbild für Handlungen zu sein, die die Welt nicht schöner machen, erscheint mir wirklich komplett absurd.
Habe ich irgendwas übersehen, oder ist das wirklich einfach nur ein Überbleibsel von verklemmter, zum Teil religiös geprägter, konservativer Sexual"moral"? Die wiederum vielleicht auch dadurch erklärbar ist, daß es funktionierende Verhütung noch nicht so furchtbar lange gibt und vorher Sex also für Frauen und ihre Familien und die Gesellschaft eben nicht die heitere folgenlose Erfahrung war, die er heute sein kann? Aber das spräche ja zB eher für Selbstbefriedigung oder Homosexualität, die aber ja noch schlimmer geahndet wurde?
Ich verstehs einfach nicht.
Bei der Veranstaltung war meine damals knapp achtjährige Schwester dabei, und sie saß neben mir, und daneben eine befreundete Klassenkameradin.
Das Ganze bestand also überwiegend aus Szenen, in denen die Darsteller wild schießend und schreiend hintereinander herliefen, sich gegenseitig beschimpften und Plastikpistolen aufeinander richteten, und schreiend und sich krümmend "tot" umfielen.
Allerdings gab es auch eine Szene, in der einer der Jungs stark geschminkt und mit zwei Luftballons unter der Bluse auf dem Bond-Darsteller rumrutschte und seltsame Geräusche machte - in voller Bekleidung, aber offensichtlich in entfernter (und sachunkundiger?) Anlehnung an das, was Bond wohl mit den Bond-Girls gemacht haben wird.
Und bei dieser Szene meinte sich also die liebe Klassenkameradin herüber beugen und meiner Schwester die Augen zuhalten zu müssen.
Ich habe viele Jahre Zeit gehabt, darüber nachzudenken, und mir fällt immer noch kein einziger, noch so wohlwollender und verständnisvoller Grund ein, warum man auf die Idee kommen könnte, sowas könne einem Kind schaden, und dann auch noch mehr schaden als der tendenziell aggressive Rest der Storyline (der ihr aber sicher auch nicht geschadet hat).
Negative Auswirkungen von Gewaltdarstellungen auf Kinder oder sonstwen sind ein komplexes Thema - ich bin selber furchtbar sensibel, und ich habe immer sehr schnell Angst bekommen als Kind und bis heute, wenn auch eher vor charakterlicher Brutalität als vor der tatsächlich gezeigten. Ich glaube nicht, daß Tatort-Fälle oder Killerspiele Kinder zu Amokläufern machen, aber ich glaube auch nicht, daß es das Beste für ein Kind ist, seine Jugend in virtuellen düsteren Räumen fröhlich vor sich hin mordend zu verbringen. Frische Luft und so, Ihr wißt schon. Aber darum gehts mir hier gar nicht.
Sondern das mit dem Sex.
Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger leuchtet mir ein, warum die Darstellung irgendeiner Art von Sex, die erkennbar im gegenseitigen Einverständnis stattfindet, einem Kind irgendwie schaden sollte. Angenommen, du gingest mit Deinem Kind durch den Park, und irgendwo auf einer Decke lägen, wasweißich, fünf Menschen dreierlei Geschlechts weitestgehend unbekleidet, in mehr oder weniger interessanten Positionen mit und ohne Spielzeug und hätten sich offensichtlich lieb und eine Menge Spaß - mir fällt einfach kein Problem ein.
Je nach Alter und Interesse des Kindes wäre vielleicht eine Erklärung (falls es sich überhaupt wundert. Aber kleine Kinder sind gewöhnt, daß Erwachsene noch viel absurderes Zeug machen) sinnvoll, und später ggf. natürlich Informationen über Schwangerschaften und Safer Sex und so, klar, aber sonst?
Sex (soweit einvernehmlich. Sonst ist es eben wieder kein Sex, sondern Gewalt.) ist etwas Nettes, was Menschen machen, um sich selber und den ggf. anderen Beteiligten eine Freude zu machen. Es hat, wenn man auf Verhütung etc. achtet, von sich aus keinerlei schädliche Aus- oder Nachwirkungen auf die Beteiligten oder die Umwelt, schadet niemandem und ist wesentlich weniger scheiße als eine Menge anderer Arten Spaß zu haben, wie zB Sportwagenfahren, Treibjagd oder Komasaufen.
Die Idee, bei der Alterseinstufung von Kultur eine Tätigkeit, die völlig normal (im Sinne von menschlich. Nicht im Sinne von Missionarsstellung im Dunkeln), im Idealfall für alle Beteiligten extrem erfreulich und generell unschädlich ist, in eine Schublade zu werfen mit der Darstellung von Gewalt, die per definitionem für zumindest einen der Beteiligten schmerzhaft oder tödlich ist und die also durchaus geeignet ist, Angst zu machen oder vielleicht auch, Vorbild für Handlungen zu sein, die die Welt nicht schöner machen, erscheint mir wirklich komplett absurd.
Habe ich irgendwas übersehen, oder ist das wirklich einfach nur ein Überbleibsel von verklemmter, zum Teil religiös geprägter, konservativer Sexual"moral"? Die wiederum vielleicht auch dadurch erklärbar ist, daß es funktionierende Verhütung noch nicht so furchtbar lange gibt und vorher Sex also für Frauen und ihre Familien und die Gesellschaft eben nicht die heitere folgenlose Erfahrung war, die er heute sein kann? Aber das spräche ja zB eher für Selbstbefriedigung oder Homosexualität, die aber ja noch schlimmer geahndet wurde?
Ich verstehs einfach nicht.
madove - 20. Mai, 12:01
Jetzt, wo ich drüber nachdenke, frage ich mich, ob es wirklich einen grundsätzlichen Unterschied gibt.
Also, Gewaltdarstellungen sind für Kinder problematisch, weil sie Angst auslösen können, also das Kind psychisch belasten.
Darstellungen von Sex können das Kind eventuell auch psychisch belasten, weil es nicht versteht, was da passiert und es deshalb auch als beängstigend oder zumindest befremdlich empfindet?
Hm.
Leuchtet mir nicht so richtig ein, aber andererseits leuchtet mir das Problem bei Gewaltdarstellungen auch nicht ein.
Ich weiß jedes Mal nicht, ob ich lachen oder weinen soll, wenn ich in den Game-One-Podcast die Jungs von "Boom", "Duke Nukem 4D" und "Das Güldene Auge" reden höre, weil es für die Rettung der Seelen unserer Kinder natürlich essentiell ist, das niemand öffentlich die Wahren Namen dieser Spiele ausspricht.
Andererseits ist mir so vieles Menschliche fremd, und Kinder sowieso, insofern ist das vielleicht vorschnell von mir geurteilt, und eine Expertin wäre erschüttert über meine Ahnungs- und Rücksichtslosigkeit.
Sind Expertinnen zugegen?
Mir wäre aber eben der Unterschied schon SEHR wichtig zwischen einer Handlung, die explizit dazu gedacht ist, jemandem Schaden zuzufügen und einer Handlung, die explizit dazu gedacht ist, allen Beteiligten Freude zu machen. Das ist meines Erachtens auf einer gedachten Erfreulichkeitsskala etwa so vergleichbar wie Hämorrhoiden und Himbeertorte.
Was die eventuelle Verstörung wegen Nicht-Verstehens angeht, denke ich wirklich, komisches und unverständliches Verhalten erleben Kinder ununterbrochen. Dann erklärt man es ihnen eben. Niemand hätte doch zB Probleme, wenn sein Kind im Fernsehen zb ... einen Bungeesprung sieht, obwohl der Mensch sich da SEHR skurril verhält und vielleicht laut schreit. Da würde man fröhlich seinem Kind erklären, daß der grade Spaß hat, und gut wärs.
Ich bin natürlich überhaupt keine Expertin für Kinder, im Gegenteil, aber aus meiner Perspektive als Ehemaliges und aus dem, was ich an meiner Schwester beobachtet habe, würde ich sagen, daß Kinder tendenziell das beängstigend und verstörend finden, was die für sie relevanten Erwachsene oder die peergroup so empfinden. Man spürt das ja, ob die Eltern zB Angst haben, und das ist eine viel stärkere Botschaft als das, was sie einem sagen.
Und deshalb ist wahrscheinlich ein in fröhlicher Runde gesehener Horrorfilm tatsächlich deutlich weniger traumatisierend als eine Studentin, die gerade stolz den kleinen See durchschwommen hat und nicht wußte, daß nicht das gesamte Ufer FKK ist (Schreiende Mütter reißen ihre Kleinstkinder an sich. Echt. Selbst erlebt.).
Eins vielleicht noch: Natürlich halte ich den Unterschied zwischen den Handlungen auch für wichtig. Aber ob das zu einer unterschiedlichen Bewertung der Schädlichkeit der Darstellung solcher Handlungen in Medien führt, bezweifle ich.
Und diese schreienden Mütter hätten es in meinen Augen durchaus verdient, dass jemand an ihnen eine Handlung vornimmt, um ihnen Schaden zuzufügen. Muss ja nicht so doll sein.